Rainer Lange - Quell der Heilung
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Vegetarier braucht die Welt!

von Rainer Lange

Auch mein Schlüsselerlebnis will ich Ihnen nicht vorenthalten: Nachdem ich die meiste Zeit meines Lebens in Großstädten gelebt hatte - zuletzt fünfzehn Jahre in Hamburg - meldete sich das Verlangen nach einem „auf dem Lande wohnen“ so massiv und lautstark, dass es nicht länger ignoriert werden konnte. Es verschlug uns in den nördlichsten Zipfel Deutschlands, kurz vor die dänische Grenze, nach Nordfriesland.
Im Grossen und Ganzen ist hier die Welt, wie man so sagt, noch in Ordnung. Einige Male im Jahr bekommen wir allerdings die gnadenlose Brutalität des Landlebens zu spüren; Einmal abgesehen davon, dass man nach dem Ausdüngen tagelang kein Fenster öffnen kann, weil der Güllegestank einen schier umhaut.
Nein, ich meine, wenn die kleinen Lämmchen geboren werden und sie voller Lebensfreude auf der Wiese umher springen, immer nach ihrer Mutter schauend, die aufpasst, dass sie sich nicht zu weit entfernen.
Nach dem vergnügten Spiel lassen sie sich dann erschöpft neben ihrer Mutter nieder und ganz eng angekuschelt genießen sie sichtlich die empfangene Wärme und Geborgenheit.

Wenn man das sieht, dann wird einem schon recht warm ums Herz und ich kenne niemanden, der das nicht auch so empfindet. Man bekommt plötzlich eine ungewöhnliche Nähe zur Schöpfung, wenn man sieht, wie die Natur (Gott) alles eingerichtet hat. Es werden einem die sozialen Strukturen deutlich, die z.B. bei den Schafen (wie auch bei den meisten anderen Tieren) unseren eigenen sehr ähnlich sind. Man erkennt deutlich die Liebe, von der die kleinen Wesen geprägt sind. Es wird einem klar, dass die Liebe das alles überhaupt erst ermöglicht hat, wenn man sieht, wie das Muttertier ihr kleines Lämmchen umhegt, es unter Hunderten heraus erkennt und umgekehrt genauso.
Plötzlich, nach wenigen Wochen, maßt sich der Bauer an, zu glauben, er würde das Recht besitzen, dieser Idylle ein jähes Ende zu bereiten. Er kommt mit einem Wagen angefahren, stapft auf die Wiese, schnappt sich ein Lämmchen an zwei Beinen (nicht an allen Vieren!), geht zum nächsten usw., bis er schließlich zum Wagen zurückkehrt. In jeder Hand hält er nun drei bis vier Lämmchen, die mit dem Kopf nach unten hängend, panisch vor Angst wimmern und schmeißt sie dann schließlich auf den Wagen.
Voller Aufregung kommen die Muttertiere noch hinterhergelaufen, doch der Bauer macht sich mit Fußtritten den Weg frei. Nun fährt er mit dem Wagen auf seinen Hof, zurückgeblieben sind die besorgten Muttertiere, die die Welt nicht mehr verstehen, denn sie sehen ja immer noch aufgrund ihres Urvertrauens in dem Menschen ihren Freund. Am Hof angekommen, lädt er die verängstigten Lämmchen ab und – bringt sie um.

Ich habe es mir erspart zu recherchieren, wie er sie umbringt. Meistens werden sie erschossen, es ist dann immer stundenlang der Knall von Gewehrschüssen zu hören und man glaubt, sich in einem Kriegsgebiet zu befinden – aber dann fällt es einem wieder ein, dass man ja auf dem Lande lebt und dass gerade „geschlachtet“ wird.

Für die Tiere ist es allerdings ein permanenter, wenn auch einseitig geführter Kriegszustand. Es gibt diese bildhafte Aussage von Tolstoi, die bezeichnenderweise besagt, dass es noch solange Schlachtfelder geben wird, wie es Schlachthöfe gibt. Haben wir denn noch immer nicht genug Schlachtfelder?

Fazit: Diese kleinen, niedlichen Lämmer werden gezeugt und geboren, nur um getötet und dann von uns aufgegessen zu werden, denn Lammbraten ist ja für viele eine echte Delikatesse - und das muss als Rechtfertigung ja wohl reichen, oder?
Jeder Deutsche verzehrt, statistisch gesehen, durchschnittlich etwa 12 dieser kleinen Lämmer im Jahr (bei Zugrundelegung der Tatsache, dass jeder Deutsche etwa 60 kg Fleisch und Wurst jährlich im Durchschnitt vertilgt). Das ist doppelt so viel wie der Verbrauch in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Vor etwa 15 Jahren lag der pro/Kopf-Verbrauch noch bei 100 kg. Also insofern ist schon ganz deutlich ein Trend zu erkennen!

Ansonsten sind es doch leider noch 945 Hühner, 46 Schweine, 46 Puten, 37 Enten, 12 Gänse, 4 Rinder und 4 Schafe, die auf das Konto eines jeden Deutschen gehen! Denn diese durchschnittliche Anzahl vertilgt er im Laufe seines Lebens. Zusammen sind das 1094 Tiere, die geopfert werden müssen, nur damit wir unseren Gelüsten, besser gesagt, unseren Trieben leichter nachgeben können.

Trotzdem reichen den Deutschen noch nicht die nationalen „Erzeugnisse“. Sie mussten im Jahr 2012 sogar 4,6 Millionen Schweine aus China importieren!

Obwohl sich eine enorm wachsende Protestfront mit eigener Homepage auf dem flachen Land zusammenfindet, werden pro Stunde 26.000 Hähnchen in der „modernsten“ Schlachterei Deutschlands, in dem kleinen Dorf Wietze bei Celle, geschlachtet.

Ich will es mir nicht antun, das Ganze einmal hochzurechnen!

Gott ist in jedem Geschöpf.
Wie könnt ihr also irgendeinem Lebewesen
Schmerzen zufügen?

Es interessiert mich seit längerem brennend, wie die Leute vom Lande, die der Natur zumindest räumlich ein erhebliches Stück näher stehen als die Städter, diese Widersprüche mit sich vereinbaren können.
Als wir hier aufs Land zogen, unterlagen wir noch der irrigen Meinung, hiesige Bauern würden sich durch ein besonders inniges Verhältnis zu ihren Tieren auszeichnen. Leider wurden wir jedoch recht schnell vom Gegenteil überzeugt. Dies trug sich zu, als wir einem benachbarten Bauern unseren Antrittsbesuch abstatteten und wir gerade Zeugen der Geburt eines Kalbes wurden. Das Bauernehepaar samt ihren Kindern war ganz und gar vertieft in ihre Arbeit als Geburtshelfer. Sie ließen, in Gefühlen schwelgend, verlauten, dass doch jede Geburt immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis sei und niemals zur Routine werden könne.
Von soviel Feingefühl noch völlig ergriffen, bekamen wir mit, wie der Sohn des Bauern das kleine Neugeborene auf eine Schubkarre (!), vorn und hinten hinunterhängend, verfrachtete und es schleunigst fortzubringen beabsichtigte.
Irritiert hiervon erkundigten wir uns nach dem Grund dieser brutalen Vorgehensweise, woraufhin wir den klärenden Hinweis erhielten, dass sie sofort Mutter und Kind trennen müssten, denn sonst könnten die sich ja aneinander gewöhnen – und das solle auf jeden Fall verhindert werden!
Dies leuchtet doch ein, nicht wahr? Zumindest dann, wenn man sich aus einer soeben noch der Natur zugewandten Gedankenwelt herausreißt und sich in die brutale Geschäftswelt des Unternehmens „Landwirtschaft“ hinein zu katapultieren versucht. Eine Welt, in der es allem Anschein nach nur darum geht, das neugeborene Tier so schnell und so billig wie nur irgend möglich zu einem höchstmöglichen Schlachtgewicht zu bringen, damit es so viel Geld wie möglich einbringt.

Nicht minder erstaunt es mich, wenn die kleinen Kinder der Bauern ihr eigenes, kleines Lämmchen bekommen, was sie dann voller Stolz und mit rührender Fürsorge aufziehen.
Sehen wir einmal von der Tatsache ab, dass auch diese Wesen sofort von ihren Müttern getrennt werden, weil sie ja jetzt den kleinen Bauernkindern gehören, so kann zumindest festgestellt werden, dass sie zu jeder Mahlzeit ihren kleinen Schützlingen die Flasche geben und somit eine rührende Ersatzmutti abgeben. Bedauerlicherweise erreicht jedoch jedes, ach so niedliche Lämmlein nach einiger Zeit ein Alter, in dem es der harten „Lamm-Realität“ ins Auge schauen und der von seinen „Besitzern“ vorgegebenen Bestimmung zum Opfer fallen wird – sich also auf den Weg zur Schlachtbank machen muss.

Ich habe es bis heute leider nie herausfinden können, wie die Kinder dieses grausame Treiben aufnehmen und wie sie damit umgehen. Besonders, was sich in ihrem Inneren abspielt, wenn sie diesen Einschnitt in eine bis dahin „heile Welt“ zum ersten Mal miterleben. Sicherlich wird dies für die Kinder von Jahr zu Jahr mehr zur Routine und irgendwann wird ein abgestumpftes, mitleidloses Empfinden auch ihr ursprünglich so liebevolles, mitfühlendes und natürliches Gefühlsleben ersetzt haben.

 

 

© Rainer Lange
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